Nu no äs Wili dänn will i’s au
Noch umhüllte die Nachtidylle die Dörfer des Tösstals. Von Zell bis nach Kollbrunn hinab und den Iberg hinauf, erschallten die Wecker gezielt in den Gemächern. In einigen Fällen soll sogar wie natürlich die innere Sonnenuhr wachgerufen haben. Mit Vorfreuden auf die kommende Reise den Bettruhen gut getrommelt entronnen, letzte Blicke auf das nötige Gepäckstück geworfen, alles kurzerhand drin, jeder sich frisch gehalten aus den Häusern in den neuen Tag. Zu Fuss, mit Velo oder Wagen, den Treffpunkt gab der Reiseleiter Andreas Kündig in verständliche Wortlaute gepackt auch rechtzeitig bekannt, dann mit Bistro das neue Ladenlokal der Metzgerei Jucker, Kollbrunn. Nach Viertel vor sieben trafen sie da ein, die Kollbrünnler Sänger, gut gelaunt und ein gutes Stück weit einmütig. Die freundliche Dame bediente die Kaffeemaschine zügig, die neugebackenen Gipfel delikat mundend. Frisch auf! „Der Nüssli – Car ist schon da!“ verlautbart die Runde. „Doch halt“, rief unser Präsident Martin, dä Chrummi, so wird gerufen dessen Spitzname im Sängerkreis, „ohne Lied wird nicht abgefahren“. Die Sänger stellen sich vor der Theke auf, schliessen die Reihen gar hurtig nach vier Stimmen. „Der Sängertrost“ kommt wie am Schnürchen und kühl von der Leber vorgetragen wird das Ständchen, dem Jubliar Peter Jucker schön rührend unter die Haut gegangen sein.
Mit Nüssli – Car seit vielen Jahren stets gut gefahren; alle Mann an Bord gekommen. Für die Dirigentin Solveigh beginnt ein neues Abenteuer, diese frohgemut dem Ereignis entgegenblickend. Fahrer Roman Nüssli wirft den Motor an und so fährt der Männerchor Kollbrunn am 5. Oktober 2024 um 07.30 Uhr aus dem Dorfe, unter dem bis zu diesem Zeitpunkt einzig bekannten Motto:
Wänn dä Willi das will, will i’s au, aber ganz deutlich Willisau
Die kleine Stadt, im 13. Jahrhundert gegründet, liegt im Kanton Luzern.
Roman Nüssli kennt die Strassenwege. In Brunegg im Aargau, beim Landgasthof zu den drei Sternen, ist der erste Halt vorgesehen. Die Kaffeewirtschaft hat die Türen offen. Doch vorab sei noch ein Lied zu singen, und im Freien soll es sein. „Lingua materna“ wird angestimmt, auswendig dem Himmel vorgetragen, und tatsächlich, durch die Wolken schickt die Sonne ein kräftiges Licht. Willisau wir kommen. Unser Schatzmeister Martin macht die Rechnung mit der Wirtin in seinem „hüerugüet“-Dialekt. Die Reise kann weiter gehen.
Was jetzt kommen sollte, wusste nur einer im Voraus, so dichthalten kann der Kündig Andreas schon. Eine weitere ganze Stunde gut in Fahrt gekommen, kommt die Abzweigung nach Willisau lesbar beschriftet, nur lenkt der Carfahrer daran vorbei, nimmt die Strasse Richtung Menznau. Aha! Äh! Verdutzte Gesichter, Willisau gar nicht das Ziel, die Angabe nur ein Täuschungsmanöver unseres Reiseleiters Andreas? Doch da, wo es überall grünt, biegt der Nüssli-Car links ab, kommt auf einem Firmengelände zum Stillstand. Am ersten Zielpunkt angekommen.
Hunziker AG, steht in grossen Lettern. Aus dem oberen Stock erscheint alsbald ein freundlicher Herr, nimmt ein paar Schritte die Treppe hinunter, bleibt auf einer oberen Sprosse stehen und stellt sich vor: Roland Küng, Geschäftsführer der Firma Hunziker Zeltbau. Er schaut kurz in die Runde und bricht den Bann gleich mit in einem freundnachbarlichem Tonfall gesprochen: „Vom Tösstal extra hergekommen, das ist ungewöhnlich. Ich heisse die Sänger des Männerchors Kollbrunn hier bei uns, bei der Firma Hunziker, herzlichst willkommen“. Auf die Replik unseres Reiseführers, wir besässen auch ein Zelt zur Vermietung und seien als „Konkurrenz“ dahier gekommen, ging dem Herrn Küng ein verständnisvolles Schmunzeln übers Gesicht. Oben in den Büros flog den Sängern der Wind als Zeltbau-Konkurrenten ziemlich rasch aus den Segeln, denn schnell wird klar, die Hunziker AG ist in der Schweiz eine Bahnbrecherin, was den temporären Bau von Fest- und Partyzelten anbelangt. Das Kerngeschäft sind Grossanlässe, Kantonale Schwing- und Turnfeste bis zu den Eidgenössischen, weitere Sportfeste wie neulich die Radweltmeisterschaft in Zürich, Musterschauen, kulturelle Ereignisse oder Filmfestspiele, bei letzteren fast immer ein neues zum ersten Einsatz kommt, sind feine, dünne Stoffe dort die Regel; aber auch Baustellen, wo eine Arbeit nur im Trockenen gelingen kann. Um mit Vergleichszahlen eine Vorstellung zu gewinnen: Hunziker vermag eine Fläche von 80‘000 m2 zu überdachen, das entspricht in etwa 11 üblichen Fussballfeldern, rechnet dies Herr Küng mit Kopfe vor. Das Motto: Die Kundin ist Königin, meistens eine „Event-Gruppe“. Ruft eine Dame aus einem Büro an, kommt der Anruf zu einem Projektleiter, dieser gibt die Daten in einen dafür eingerichteten Rechner, aus Ortsbegebenheiten und Platzverhältnissen wird eine Bedarfszahl erstellt, allfällige amtliche Bewilligungen erwogen, Hunziker errechnet die Notwendigkeit an Mitteln zur Erstellung der gewünschten Zelte, ob mit Fussböden oder Fenstern, spielt eine Rolle, und zügig geht ein erster Kostenvoranschlag an die Anruferin zurück. Meistens kommen noch weitere Wünschbar-keiten hinzu, so dass ein Zeltbau allein ein spannendes, dynamisches „Abenteuer“ von A bis Z bleibt, berechnet auf eine Zeitdauer, die eingehalten werden will. Mit der Begabung zur Schilderung aus dem Berufsleben der Zeltbauer ausgestattet, fasziniert Roland Küng auch mit der Einstreuung von pikanteren Farbtönen aus den stattgefundenen Wirklichkeiten, die uns, die Sänger und Zeltbauer in einem, aber in diesem Spiegel auch Laien, über die wirkliche Wirklichkeit im Zeltbau gehörig ins Staunen
versetzen. Wie soll in einer Stadt wie Lausanne ein Zelt sicher aufgestellt werden, wenn unter dem Teerboden so viele Kabel liegen, die nicht beschädigt werden dürfen? Oder auf dem Titlis, wo bei minus 20 Grad C. gebaut werden, mit dem Respekt vor plötzlich aufkommendem Winde und einem überraschenden meterhohen Schneefall das Zelt aber seine Dienste verrichten soll. Die Herausforderungen an den Zeltbauer sind zahlreich, daraus macht der Geschäftsführer keine Mördergrube. Im Stich gelassen fühlte er sich als verantwortungsbewusster Unternehmer während der sogenannten „Corona-, Kranz- und Krone-Zeit“, sibi nectit uterque coronam, als seine Belegschaft von 70 sehr arbeitswilligen Mitarbeitern, auf eine Art wie „Kriegsgefangene“ ohne Zeitangabe, sub corona vendere, Daumen drehen mussten.
Herr Küng zeigt uns die Waschanlage. Jedes Zelt, das zurückkommt, geht durch die Reinigungsanlage, wird getrocknet, nach allfälligen Schadstellen abgesucht, anschliessend sorgfältig versorgt und angeschrieben oder wird gleich wieder verladen für den nächsten Zeltbau. „Wie steht es in diesem Genre mit Forschung und Entwicklung?“, wollte ein Sänger wissen. „Praktisch nichts“, kommt die Antwort prompt. Bei Nachfrage werden 20‘000 Tribünensitzplätze auf einem Alugestänge hergerichtet, spricht Herr Küng aus der Wirklichkeit des Zelt- und Tribünenbauers. Aber in seinen kühnsten Träumen sieht er ein Zelt, das „sich selber“ baut, nur müsste es einer noch „fertig erfinden“. Während wir durch das ganze Gebäude fast ganz gegangen und uns dem hinteren Ausgang nähern, beginnt Beat mit einen Lied, ein „schöner Bajazzo“ soll es werden. Bei der zweiten Strophe singt der ganze Chor, bei einem anmutigen Hall in der Halle. Wenn es noch ein Fazit zu ziehen gäbe: Der Männerchor Kollbrunn tief beeindruckt bedankt sich mit der Herzlichkeit von Gleichgesinnten, mit einem Gruss aus dem Tösstal an einen Schweizer Pionier.
Zurück im Car wieder, die Sänger, die Dirigentin Solveigh komfortabel sitzend an Fensterplätzen, ergreift Reiseleiter Andreas Kündig das Wort, die Miene zum schelmischen Wesen ziehend, und gibt bekannt: „Wir fahren jetzt tatsächlich nach Willisau, zum Hotel Mohren, und schauen dort wegen den Zimmern!“. Und los braust unser Transportmittel in diese Richtung. Ob auf persönlichen Wunsch oder einfach zugelost, die Zimmerbezüge gelingen beschwerdefrei. Genug Zeit für einen Bummel durch das historische Städtchen, von Stadttor zu Stadttor, für ein Bier oder für das Schreiben der Postkarten bei einer Willisauer Schokolade. Eine Viertelstunde vor zwei Uhr schauen die Sänger auf ihre Uhren. Es reicht gut für den gemütlichen Fussmarsch zu DIWISA. Das zweite Tagesziel per pedes erreicht.
Gar zu früh angekommen, der offizielle Empfang noch nicht da. Vor dem Fabrikgelände, da mit Sängerherz zum vertrauten Wohlergehn‘ ein Lied gesungen, „Aus der Traube in die Tonne“ unter Wolken, Luft und Winden, gewidmet dem Bacchus!, weltbekannt als edler Fürst des Weins, komm‘ mit Augen hellen Scheins. Die Türen von DIWISA noch geschlossen. Da kommt dem Reiseplaner gerade in den Sinn, die Betriebsbesichtigung ist ja erst in einer Stunde. Wie die Zeit gut nutzen jetzt? Ein Sänger erinnert an die Willisauer Ringli ganz in der Nähe. Eine ansehnliche Sängerschar unternimmt spontan die paar Dutzend Schritte auf der Menznauerstrasse, den gekommenen Weg zurück, direkt in den Ringli Laden der Hug AG. Viele „anneaux de willisau originaux“, auch Löffelis und Stängelis von Anna Hugs 5. Generation, in „klima-neutralen“ Verpackungen, den Bäumen und Wiesen kein Kohlenstoffdioxid von 0,04% aus Luft gestohlen habend, gehen wie warme Semmeln über den Ladentisch. Draussen vor dem Laden spendieren sich die Sänger gegenseitig Kostproben von ihren Einkäufen. Von der Sonnenuhr im alten Städtchen weiss der aufmerksame Betrachter, die Zeit ist das Mass für die Bewegung alles Beweglichen, so wie die Zeit das Einzige ist, was nicht einmal ein Dankbarer zurückgeben kann. Einer vom Handwerk schaute auf seine Uhr und sagte her: „Ich mache mich jetzt auf den Weg zurück, will die Führung nicht verpassen“. Die andern folgten ihm im gemächlichem Schritte und Tritte.
Vor der Liegenschaft Menznauerstrasse 23 stehen bereits zwei Damen zum beherzten Empfang. Als heutige Gastgeberin stellt sich Conny Zihlmann vor, die zweite, Nadia, Lernfachfrau, will sich dieser Herausforderung wacker stellen. Um den Rundgang in hörbarem Abstand durchführen zu können, werden die Sänger in zwei Hälften aufgeteilt. Die Dirigentin darf sich einer der beiden anschliessen, wie der Zufall es will. Wir erfahren: Die DIWISA AG ist ein führendes Schweizer Unternehmen im Getränke- und Spirituosenmarkt. Die Reise durch den Betrieb fängt im Kräutergarten an. Eigentlich ordentlich gross, aber: „Diese Kräuter reichen bei weitem nicht für unsere Produktionen. Wir kaufen noch ein“, erklärt unsere junge, lernende Gastgeberin. Kurz der Weg über die Strasse, da stehen wir in der Annahmestelle der besten frischen Früchte. In Grossbehältern liegen an diesem Tag Aepfel und Zwetschen. An einem andern Tag können es Birnen für den bekannten „Buure Brand“ oder Roggen für den „Swiss Vodka“ sein. In riesigen Gärfässern werden die Früchte zerkleinert und ohne Kerne zur Maische angesetzt. Bei dem Arbeitsvorgang wird darauf achtgegeben, dass kein Sauerstoff eindringt. Kommt die Frage in die Runde: „Wieviel Obst braucht es für 100 Liter Maische?“. Die zur Fachfrau Lernende überlegt kurz und schätzt: „Rund 110 Kilo, und am Ende der Destillation bekommt man etwa 5,5 Liter Zwetschenschnaps – bei den Aepfeln sind es etwa 6 Liter“. Die Zeit läuft. Die Sänger werden höflich gebeten, zur Besichtigung der Brennöfen auf die andere Strassenseite zu kommen. Dort, für die Freunde der Veredelung eine Augenweide, funkeln kupfern 17 Brennhäfen mit modernster Steuerungstechnik. Ein Brennmeister überwacht diese allein, im Schichtbetrieb sind es dann deren drei. Wir erfahren von unserer jungen Gastgeberin gerade lernend im Fach: „ In den letzten Jahren fand eine enorme Entwicklung bei den Brennanlagen, insbesondere in der Steuerungstechnik statt und der Brennprozess kann mit viel höherer Konstanz durchgeführt werden. 7 Brennhäfen wurden darum neu ersetzt, um noch ein höheres Qualitätsniveau zu erreichen“. Bevor der Rundgang endet, kommen die beiden aufgeteilten Sängergruppen in einem oberen Stockwerk bei der leistungsstarken Abfüllanlage zusammen, dort, wo die kostenbaren Säfte in die Flaschen kommen. Eine besondere Frage weckt das allgemeine Interesse: „Wenn die Ernten der verschiedenen Früchte nicht jedes Jahr mit der gleichen Süsse ausfallen, – die Natur spielt ja bekanntlich eine Rolle -, wie bekommt man dann immer das gleiche Produkt mit der gleichen Qualität?“ „Da braucht es neben Fingerspitzengefühl immer noch den menschlichen Gaumen, um aus den verschiedenen Destillaten so auszuwählen und miteinander zu vermengen, dass für den Geniesser, ob „Swiss Vodka“ oder „Buurä Brand“, aus dem Glase in die Kehle, in den Magen, in den Schlund, die kostbaren Getränke immer gleich wahrnehmbar sind – das Geheimnis der Tradition, in der Schweiz führend die Distillerie Willisau, seit 1918, ganz sympathisch kommt die Antwort von Conny Zihlmann, den Sängern des Männerchors Kollbrunn wie Honig zu Ohren.
Zum frohen Ausklang dürfen die Sänger, die Dirigentin im sehr schönen Verkaufsladen an dafür eingerichteten Tischen ein Kafi Luz (ein Kaffee Luzern) selber zubereiten. Nach traditioneller Art, aber an wie vielen Grammen es an Kaffee bedarf, auf l Liter Wasser, war dann doch eine Quizfrage, die nicht alle richtig zu beantworten vermochten. „3 Gramm genügen, besser gar 2,8“, klärt Frau Zihlmann auf, „man soll ja durch das Glas noch Zeitung lesen können“. Beim typischen Hinterländer-Zvieri mit den 5 Beilagen fühlten sich alle willkommen. Nach Danksagung und zu euphorisierter Gemütsverfassung geneigt, traten die Sänger aus dem Haus auf die Menznauerstrasse. Unser Reiseplaner Andreas Kündig, der mit den beiden lehrreichen, abwechslungsreichen Besichtigungen ein paar „Fans“ dazugewonnen haben dürfte, fasste sich zur nächsten Marschrichtung kurz: „Um halb acht, im Hotel Mohren, dort gibt’s das Nachtessen – aber den Tag nicht vor dem Abend loben“. Oder ähnlich. Für was die Zeit eines Sängers dazwischen gereicht hat: Auf leisem Spaziergang durch die Altstadt ein Sänger gar den süssen Gruss verfasst: „My Bonnie over the Ocean, please give me a Kappa“, und diesen per Handy verschickt.
Die Zeit eilt uns entgegen. Im Hotel „Mohren“, die Treppe hinauf in den Saal, ein langer Tisch tafelfertig nach Tischlein-deck-dich-Kunst. Die Sänger schliessen die Tischreihen, so wie sie tropfenweise erscheinen. Die Gastgeberin nimmt die Bestellungen sicher mit Freundlichkeit entgegen. Wer den Salat bestellt hat, bekommt diesen baldigst, ob nun ein grüner oder den vitaminreicheren gemischten. Darauf der herrliche Duft der gebratenen Cordon-Bleus, der einem schon von den herbeigetragenen Tellern her verlockend in die Nase strömt und zum freudigen Biss hinein einlädt. Das Lied „Glocken der Heimat“ erklingt auch zu späterer Stunde mit Herzhaftigkeit in der Brust. Doch oft hat ein Troubadour schön gesungen, dass der Wein die Kraft, das Blut und die Lebensdauer der Menschen belebe. Oder frei nach Walther: Der Wein ist der Spiegel der Seele. Und wer mit wem in der Nacht das Zimmer geteilt hatte, war am nächsten Tag in der Frische des Morgens nicht mehr von Belang.
Der 6. September 2024, ein Sonntag. Nach der Nacht im Hotel Mohren, alle Sänger, die Dirigentin ebenso, frisch im neuen, eben sonntäglichen Tage. Ein rauchender Sänger schaut vom Balkon aus nach dem Wetter, auf beiden Seiten der Strasse die Nasen nach vorn. So reichlich das Frühstücksbüfett auf die Tische serviert, so liegt der Schalk unseres Reiseleiters Andreas Kündig zwar im Herz, aber mit schalkhaftem Gesicht seinen kurzen Auftritt nimmt und diesen Fahrplan bekannt macht: „Jeder packt nun sein Bündeli; wir treffen uns in einer halben Stunde oben beim Car. Auf befestigter Strasse geht’s dann auf Rädern nach Kirchleerau AG – und was es dort gibt, werdet ihr sehen“. Im Car, sicher rollend durch die grüne Landschaft, vom Kanton Luzern in den Aargau hinüber, fragt ein Sänger den andern: „Kirchleerau, schon einmal davon gehört?“. Nichts, was ich gerade darüber wüsste, schloss der andere den Dialog schnell ab. Die Ortstafel von Kirchleerau erscheint vor aller Augen. Roman Nüssli lenkt den Autobus von der Hauptstrasse, nach links ab und bringt es vor einem stattlichen Rohbau zum Stillstand. Am Sonntag den dritten Bestimmungsort erreicht.
Hochgezogene Augenbrauen, fragende Sängergesichter: Was gibt’s in einem Rohbau zu sichten, bei so viel Rohmaterial, das ringsum noch liegt? – Die Herren Peter Bachmann und Dieter Holliger haben uns erwartet, heissen uns herzlichst willkommen, in einem neuen Traktoren-Museum, das eben hier entstehen soll. Praktisch in null Komma nichts ist dies enträtselt. Das umfassende Wissen der beiden Herren über Traktoren, über Fahrzeuge zum Schleppen, die meist durch einen Dieselmotor angetrieben werden, verrät deren grosse Leidenschaft. „Wann hat bei Dir die erste Idee gezündet, Peter?“, möchte ein Sänger erfahren. „Ich war etwa fünfzehn, da hab‘ ich meinen ersten Traktor gekauft“, erinnert sich Peter Bachmann noch gut. „Eckiges mit Rundem vertauschen wollen, denn ohne Rad gäbe es den Traktor nicht“, könnte diese Sentenz auch von Dieter Holliger verlautbart worden sein. „Echtes Geld wie Münzen sind rund, echte Banknoten viereckig“, witzelt daraufhin ein Sänger gar etwas siebengescheit. Zur näheren Verständigung wieder aufgeteilt in zwei Gruppen, geht’s durch verschiedene Räume, alle prall gefüllt mit Traktoren meist bekannter Marken, zur freien Besichtigung, von tractrix zu tractus sozusagen, und jeder darf seine Schnappschüsse nach Herzenslust machen. Da stehen die Sänger, die Dirigentin Solveigh, vor einem Hürlimann mit überdachtem Fahrersitz, vor einem Meili aus Schaffhausen, oder Bührer aus Hinwil, vor einem Lanz Bulldog mit Kamin aus Mannheim, und hoffen, dass sich ihre Gedanken mit passenden Worten verbinden, die Ohren erwarten können. Da hat die Lokomotivfabrik Winterthur tatsächlich einmal einen dreirädrigen Traktor hergestellt, und Porsche einen feinen Junior K 108, doch aus welchem Grund der riesige International aus den USA keine Handbremse eingebaut bekommen hat? – die Felder dort seien eben nur flach, weiss Dieter. Wer hat den Traktor eigentlich erfunden? Eine Frage, die allgemein über Ze
iträume das Interesse weckt. Von einem John Fröhlich aus Iowa ist auf Fotos dokumentiert, wie er einen „stabilen“ Prototypen mit Benzinmotor und mit Vorwärts- und Rückwärtsgang bedienen kann. Und als eigentlicher Erfinder des Traktors gilt John Charter, der 1889 den ersten Traktor entwickelt hat. Peter Bachmann meint darauffolgend ganz treffend: „Man fragt eher danach, welchen Nutzen es hat, als danach, ob es ehrt“. Und wie einer aus dem Kreise dann gar lakonisch hinzufügt: „Die stärkste aller Leidenschaften ist ja seit alters die Machtgier“, das Bonmot fand die offenen Ohren zahlreich und liess jedem Hörer ein fröhliches Lächeln auf dessen Gesicht zaubern. Wir wechseln die Oertlichkeit: Peter Bachmann will uns ein rares Stück zeigen. Mit Dieter Holliger zieht er einen Ueberwurf weg: Ein Prototyp von Lamborghini Trattori in vorteilhafter Beleuchtung. Davon weltweit nur 5 Exemplare, auf jedem Kontinent, ohne Antarktis, einen. Ferruccio Lamborghini gründete seine Firma für Automobile in Pieve di Cento im Jahr 1948. Noch einen Blick auf das moderne Cockpit des alten FENDT aus Marktoberdorf D – und ein weiterer Vorhang geht auf: Staunende Blicke auf die grösste Orgel der Welt auf Rädern, mit 125 Tonstufen, mit Registern zum Verschieben, und wie sie nach so vielen Jahren immer noch so toll tönen kann – wie ein ganzes Orchester. Peter lässt den „Radetzky Marsch“ spielen. Wie uns Sängern die Gebeine dabei erquicken.
Zur Danksagung für das aussergewöhnliche Erlebnis in der Welt der Traktoren ist der Männerchor Kollbrunn mit einem Lied an der Reihe, wäre, wenn es bei den Sängern nicht so wie früher gülte, dass ein leerer Magen nicht gern singt. Zum Glück ist Peter Bachmann im Hauptberuf Bauunternehmer, unterhält einen Erlebnisraum für private Zwecke, und lädt uns kurzerhand zu Schinken und Kartoffelsalat ein. Dort singen wir drei Lieder aus voller Brust und mit Lust. Und halten unsern schönen Gruss in seinem Gästebuch fest.
Ueber den Sattelegg – Pass heimwärts, mit Anhalt und Kaffeekultur im Berggasthof, und so wie Roman Nüssli den Car sicher ins Tösstal führt, so unsere spannende Vereinsreise 2024 ein gutes Ende nimmt.
Zum Schluss darf der Verfasser dieses Schriftwerke schreiben: Unser Reiseleiter Andreas Kündig hat wirklich sein Bestes gegeben, und nur wer es vermag, soll es besser machen.
In Kollbrunn verfasst, der Aktuar selber: Fritz Zesiger