Der 159 Jahre alte Verein, immer noch reiselustig in juveniler Manier, unternahm eine Fahrt ins Blaue. Einzig den Tag des Ereignisses, den 28. Septemer 2019, wollte der heurige Reiseleiter Urs Meier vorab preisgeben. Die Zusammenkunft nach Brauch im frisch gestrichenen Rest. Frohsinn – dann, ein historisches Postauto, ein FBW, bis in die 90er Jahre auf den Alpenpoststrassen eingesetzt, war vorgefahren. Angebrachter Blumenschmuck an der Front gab dem Vorhaben eine festliche Note. Mit einem Lied die Schönheit jenes Samstags gelobend, als daraufhin zwanzig Sänger auf den Sitzbänken aus währschaften Lederpolstern ihre Plätze einnahmen. Ein dreifaches „Tüü-taa-too“, die Fahrt ins Blaue begann. Urs Meier hatte allen Fragen zwecks Entlockung seiner Pläne widerstanden. Auch ein „Appenzeller“ half in dieser Hinsicht nicht weiter. Alsbald griff Sänger Werni in die Tiefe einer Tüte und überreichte jedem ein belegtes Brot, von der Metzgerei Jucker. Mit der Geschwindigkeit konnte das Fahrzeug von anno dazumal gut mithalten.
Auf einem Wegweiser stand „Trüllikon“. „Ah, nach Schaffhausen“, ging ein Raunen durch den Wagen. Auf einmal, ein herrlicher Blick auf den Rheinfall – wie einer auf den Einfall kam, darin einen Weinfall zu sehen, wurde wissenschaftlich nicht erklärt. Beim Schlösschen Würth, früher Zollstätte und Umschlageplatz für den Rhein-Warentransport, gibt es Parkplätze. Schon viele Cars aus dem In- und Ausland da. Ein beliebtes Ziel offensichtlich. Zu Fuss die Treppen hinab zur Gaststätte. Diesen Aperitif musste Urs Meier eingeplant haben. Angenehm süffiger „Wilchinger“ und Snacks standen bereit auf gedeckten Tischchen. „Lasst uns beim Wein fröhlich sein“, gesungen und nachempfunden nach „Sängertrost“, einem alten Männerchorlied.
Eindrücklich war daraufhin die Überfahrt zum mittleren Felsen. Weil die Schiffe für Personentransporte nach den Farben des Schaffhauser Kantonswappen angestrichen waren, also schwarz wie der Widder und gelb wie der Hintergrund, kehrte ein Sänger vor dem Einstieg kurzerhand ab. Ob aus Aberglaube oder fürs‘ Heraufbeschwören des Glücks für seinen Fussballverein – das wäre vermutlich sein Geheimnis geblieben, wenn dessen Verein an diesem Tage nicht gewonnen hätte.
Der Fährmann steuerte wider einigen Zweiflern dann doch präzise und sicher zur Plattform. Es zischte und gischte gehörig. Auf den schmalen, stets nassen Treppenstufen zum Aussichtspunkt benutzte nicht nur manch‘ älterer Sänger gerne den Handlauf. 23 Meter stürzt das Wasser über die kalkigen Felsen in die Tiefe. 700 m3 sollen es pro Sekunde sein. Wieviel das in der individualen Vorstellung auch sein mag, in der Nähe des spektakulären Naturereignisses tost es gewaltig. Nach der Rückfahrt zum Schlösschen Wörth rief der Reiseleiter seine Mannen zusammen. „Wir brechen auf zum zweiten Tagesziel“, verriet dieser. Mit cis, e und a in A-Dur setzte sich die Fahrt ins Blaue fort.
Es war Stein am Rhein. Die Anfahrt mit Dreiklanghorn, die Kleinstadt bekannt für ihre mittelalterlichen Fachwerkhäuser und Hausfassadenmalereien. Ein Blick durchs‘ Stadttor sollte genügen. Der Zeigefinger des Reiseleiters wies in Richtung Rheinufer. Zielstrebig führte er die Sänger ins Rest. Wasserfels. Und der Sonnenstrahl fiel weiter unbehelligt auf deren gutgelaunte Gesichter. Im Wasserfels hatten sie die „Kollbrünnler Sänger“ erwartet. Die Tische im Freien nach der Tafelkunst gedeckt. In den steilen Rebbergen von Stein am Rhein sollen die Trauben von erster Güte heranreifen. Ein leuchtendes Rot in den Gläsern. Grüne Blätter von Salatpflanzen an köstlichem Dressing vorab – das Voressen mit Kartoffelstock, farblich garniert mit Schnittlauchgrün, gedieh allen Sängern zum Gaumenschmaus. Hin und wieder ein Kartengruß, worauf eine Postmarke geklebt wird, belebt aufs‘ Neue Althergebrachtes.
„Unsere Fahrt ins Blaue“ hat noch ein drittes Tagesziel, gab Urs Meier bekannt. Auf zur grössten Schweizer Stadt am Bodensee: Kreuzlingen. Mit „Tüü-taa-too“ das linke Seeufer hinauf. Verbunden mit ihren schönen Erinnerungen an das Dreiklanghorn, bewegten zahlreiche Passanten ihre Arme zum Gruße. Nur in Steckborn erschrak ein Kind dergestalt, als ob das Posthorn eine Sirene wär‘ und wie von der Tarantel gestochen davonlief.
Viel Zeit im Seeburgpark blieb uns zwar nicht, aber genug, um von der wunderbaren Kulisse und der Weite des Sees ein eigenes Bild zu machen. Und wenn gar einem die Idee reifen würde, selber einen Ausflug dorthin zu wagen, umso besser.
Die Fahrt zurück zum Herkunftsort gelang ohne Zwischenfall. Der Chor zollte Urs Meier das verdiente Lob. Und mit einem dreifachen „Tüü-taa-too“ wussten sie in Kollbrunn, die „Kollbrünnler Sänger“ sind zurück.
Der Aktuar: Fritz Zesiger
Fotos: Martin Burkart