Im Berner Oberland

(fz) Das Substantiv Frohsinn beschreibt trefflich die Mienen der sechzehn Sänger, die in der samstäglichen Morgenstille des 29. Septembers die beleuchtete Wirtsstube des Kollbrunn‘schen Frohsinns betraten. Das Vorhaben war klar. Die Vereinsreise und zwei Tage im Berner Oberland. Der Bus von Nüssli kam zeitig genug an. Der Fahrer grüsste den Morgen, ebenso bei guter Laune. Ein Lied schnell gesungen. Die Gepäckstücke behutsam in den Kofferraum verladen, da flog noch der letzte Rucksack von kräftiger Hand geworfen obendrauf. Der Reiseführer hatte den Startschuss um 07.55 Uhr vorgesehen.
Der Fahrer gab Gas, auf der Autobahn ein bisschen mehr. Der Hochnebel löste sich zuweilen bereits auf. Sänger Ulrich verteilte die wohlschmeckenden Sandwiches, eine Mitgift der Metzgerei Jucker. In Walterswil SO schlug der Fahrer einen Halt vor. Den Rauchern das kurze Vergnügen, im Gasthof St. Urs und Viktor einen Kaffee für jeden.

Tagesziel: Thun
Elf Uhr und pünktlicher kann man nicht ankommen. Beim Bahnhofplatz der Stadt. Frau Kocher von Thun Tourismus, adrett gekleidet mit blauem Tuch, hatte uns schnell ausfindig gemacht. Und was sie uns über „dunum“, so der keltische Name von Thun, erzählen sollte und wollte, war so bemerkenswert wie spannend. Die Altstadt am Fuss des Hügels, angelegt nach dem Städtebauschema der Zähringer, und sogar die Kyburger machten eine Zeitlang ihren Einfluss dort geltend, gilt mit den erhöhten Gehsteigen über den Kellern als einzigartige Sehenswürdigkeit. Nach der Aufnahme in den Bund 1353 nahmen die bernischen Schultheissen ihre Amtsgeschäfte im Schloss aus dem 12. Jh. wahr, auch die Gerichtsbarkeiten. „Dr Housi mues‘ hüt uf z’Schloss“, war in früherer Zeit nicht immer ein heiterer Gang. Den Goldenen Stern im Wappen sollen sich die Thuner mit ihrem heldenhaften Kampf in der Schlacht bei Murten (1476) verdient haben. „Fulehung“, damals der Narr von Karl dem Kühnen, ist die Figur beim jährlichen Thuner Volksfest, welches stets viele Schaulustige anzieht. Und das bald fertig erstellte Parkhaus im Schlossberg, eine Baukunst für sich. Auf dem Schlossberg, in der Ref. Kirche St. Mauritius, sang der Chor das Lied „Lingua materna“, durchaus zum Wohlgefallen der Stadtführerin. Also machte Frau Kocher von der Darbietung ein Video und überbrachte auf diese Weise den Männerchor Kollbrunn ihrem Enkel ins Spital in Bern.
Das Mittagessen im Hotel Freienhof und der Menüvorschlag verführerisch: Schweinsbraten mit Rosmarinjus. Nach der Gemüsecremesuppe trat die Serviererin mit drei Tellern aus der Küche: „Wer hat das Vergi-Menü?“ Den Ausruf der Frage nochmals. Niemand. Freiwillig streckten drei Sänger auf und erfreuten sich an der Tofutranche. Was man nur vom Hörensagen kennt, könnte ja auch einmal gut sein. Der Zimmerbezug im Hotel Krone ging hurtig. Das Los hatte die „Schlaf-Pärchen“ im Vorfeld bestimmt. Bei der Reception war die Arbeit gemacht. Nach der Vertiefung des Gehörten trafen sich die Sänger beim Mülliplatz wieder. „Es lebe unser Bier“, das Lied war ein guter Einstieg, und „herrlich gelb rinnt es durch die Kehle“ – überhaupt herrschte eine tolle Stimmung an den Aareufern. Die zahlreichen Gäste genossen den milden Sonnenstrahl des Spätsommers.
Der Abend vom Hotel Krone bis in den Schlossberg: Mit Pfeffer, Wein und Musik. Es ist schön in Thun, meinte am nächsten Tag jeder.

Am Sonntag: Ballenberg
Nicht, dass der Hahn beim Rathausplatz früh gekräht hätte – der Stundenschlag der Rathausuhr genügte und die meisten gingen zur guten Morgenstund‘ frisch rasiert durch die Gänge des Hotels. Das Frühstücksbüfett hatte auf jeden Wunsch das passende Angebot. Der Fahrer stellte um neun Uhr den Kleinbus auf dem Rathausplatz hin. Das Zählen begann. Tatsächlich, zwei Sänger fehlten noch. Kamen sie alsbald, die Augen noch reibend.
Flotte Fahrt entlang des Thuner- und Brienzersees, glitzernde Wasser, leuchtende Berge, Niederhorn und Brienzer Rothorn. Waren nicht die ersten, beim Eingang West, die an diesem Sonntagvormittag dort angekommen waren.
Wer die Freude an altem Kulturgut beibehalten hat, dessen Herz schlägt beim Spaziergang durch das lebhafte Freilichtmuseum entzückt. Zu sehen sind 109 historische Gebäude, die an ihren ursprünglichen Orten, in den verschiedensten Landesteilen, sorgfältig abgebaut und im Ballenberg originalgetreu wieder aufgebaut wurden. Die Gärten werden wie früher gehalten, gesundes Gemüse und auch Blumen. Viel traditionelles Handwerk ist zu sehen und gar manchem kann der staunende Ausdruck über die Lippen kommen: „Aha, so haben die das früher gemacht. Wie die damals darauf gekommen sind?“ Die Bauernhoftiere, wie man sie von früher her kannte, weiden und grasen.
Der Reiseführer gibt als Ausgangspunkt den „Alten Bären“ bekannt. Sollte sich einer verlaufen, nach dem „Alten Bären“ fragen. Dieser Fall traf nicht ein. Zum Mittagessen dort setzten sich alle Sänger an den gedeckten Tisch. Mit dem Rahmschnitzel war die Menüwahl gelungen. Auf die dritte Stund‘ des Nachmittags fuhren zwei Kutschen vor dem „Alten Bären“ vor. Die Pferde im Zweigespann schnaubten und scharrten mit den Hufen. Kaum war der letzte Sänger eingestiegen, riefen die Kutscher „Hü“ und erst später „Hott“. Sogar ein Hund, sozusagen die tierische Freundin des einen Kutschers, nahm zuweilen die Zügel an die Pfoten. Zum Gaudi der Passagiere. Der aufgewirbelte Staub hinter den Fahrzeugen zeugte von einem strammen Galopp.
Für den einen durfte es als Mitbringsel eine Ballenberg-Wurst Original, für den andern ein Jenni-Hemd aus Meiringen sein.
Der Fahrer schlug für die Rückfahrt die Route über den Brünig vor. Ein kurzer Halt bei Süssmost und Nusstorte, und mit Blick auf den Zugersee. Noch schnell die Kartengrüsse verfassen.
Traf der Kleinbus gegen 19.00 Uhr in Kollbrunn ein, und als die Sänger aus dem Fahrzeug stiegen, sah man siebzehn zufriedene Mienen. Diejenige des Reiseleiters, diesmal der Aktuar, inklusive.

Fotos: Martin

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